An Verlorenes

Dienstag, 3. Januar 2006

...

Wenn Dein Wecker klingelt und Du nochmal mit mir schläfst, mit verwuschelten Haaren und kaum geöffneten Augen, wahrscheinlich noch im Traum gefangen, nicht bewußt, daß ich es bin, zu der Du zärtlich bist, staut sich die alte Traurigkeit in mir auf: Du lebst Dein Leben, ich meins. Du rollst Dich aus dem Bett, gehst duschen und hast mich beim Zähneputzen vergessen. Ich sammle meine Sachen zusammen, ziehe mich an, und speichere die Erinnerung an diese eine Nacht, wiedermal, unverhofft, wir wollten doch nur ins Kino gehen, und schließe leise Deine Wohnungstür. Ich höre draußen noch das Wasser Deiner Dusche, die meinen Geruch von Dir wäscht, und weiß, daß Du mich tagelang nicht anrufen wirst. Es macht mich schon fast nicht mehr traurig. Ich habe aufgehört, von unseren gelegentlichen Treffen etwas zu erwarten. Die aufkeimende Leere ersticke ich mit einem Milchkaffee im Portugiesen bei Dir an der Ecke. Ich ertrage die Blicke der Männer, die Nächte mit Dir machen mich schön. Dein Nichtmelden läßt mich verwelken. So treibe ich durch meine Tage. Aufblühend. Gepflückt. In einer gläsernen Vase gefangen. Ich verrichte meine Arbeit wie immer, treffe Freunde am Abend, dauernd dasselbe, das so trostlos wirkt im Angesicht unserer seltenen Zusammenkünfte, die mich aufrütteln, meine Gedanken verbrennen, in wilde Sehnsüchte werfen, sodaß ich tagelang wieder durch Traurigkeit schwimme, wenn Du mich vergessen hast. Ich widerstrebe jeden Tag dem Impuls, Dich von der Arbeit abzuholen, um mit Dir essen zu gehen, Du weißt schon, bei diesem Asiaten, in dem wir schon ein paar Mal gemeinsam waren. Ich nehme immer die scharfe Kokosmilchsuppe, spüle mit zuviel Thai-Bier nach, Deinen Erlebnissen in diesem fernen Land lauschend. Wenn ich Dich ansehe, bin ich in Gedanken schon wieder in Deinem zerwühlten Bett. Bei unseren Treffen rede ich kaum, ich sitze wie eine Holzpuppe vor Dir und begehre Dich. Jedes meiner Worte ist nichtssagend, ohne Gewicht Deinen gegenüber. Ich bezweifle, daß Dich auch nur irgendeiner meiner Gedanken interessiert hätte. Du bist Dir meiner Zuneigung sicher, ich habe sie Dir auch schon oft genug in schwachen Momenten gestanden, bade Dich drin, laß sie an Dir herabperlen, ich bin so wichtig in Deinem Leben wie der neue U-Bahntarif. Und trotzdem rufst Du manchmal an. Jedes Mal zerfließe ich in Deiner Stimme und sinke zu Boden, idiotisch lächelnd die Wände anstarrend und die Minuten bis zum Treffen zählend. Habe nie Zigaretten zuhause, wenn Du anrufst. Du triffst mich mitten im Ungewissen und ich falle.
Ich bleibe beim Portugiesen sitzen, bis ich Dich mit Deinem himmelblauen Fahrrad zur Arbeit fahren sehe, und bin mir sicher, daß jeder neben mir mein hysterisches Herz klopfen hört. Ich frage den Typen neben mir um eine Zigarette und mache mich auf den Heimweg. Schminke mich ab, gehe duschen, schminke mich neu, binde die Haare zusammen, suche meine einzige nicht zerrissene Hose und fahre mit dem Rad zur Arbeit. Ich lächle über die verschlafenen Kinder in den Sitzen auf den Rädern ihrer Eltern, die irgendeine Melodie summen. Ich umfahre Pfützen und freue mich über die körperliche Bewegung, die meine Gedanken beruhigt, bevor ich wieder in die Realität geschleudert werde, die mir so auf die Nerven geht. Ich will nicht funktionieren müssen. Ich will nicht so sein wie alle anderen, und ersticke doch an meiner Gewöhnlichkeit. Ich sehe keinen Sinn darin, stupide Tätigkeiten auszuführen, die den Riß im Herzen nur noch größer machen. Ich falle ins Bodenlose, wandle durch meine Zeit und mache Fehler. Immer und immer wieder. Und ich stürze mich gierig auf die nächste Katastrophe. Ich bin zu hochmütig für das Glück. Mein Leben ist durchtränkt von Begegnung, Entfernung, Zurückweisung. Gelangweilt betrachte ich wie eine Außenstehende das Geschehen. Ich bin überfordert mit dem Gedanken, daß das alles meins ist. Ich bin ein Opfer meiner Tage, die vollgefüllt sind mit bedrückenden Emotionen. In ritualisierten Handlungen mache ich mir Kaffee, ich bin immer die Erste, die ins Büro kommt, fahre die Computer hoch und höre desinteressiert den Anrufbeantworter ab. Ich wollte schon vor Monaten kündigen. Die Bequemlichkeit und die Aussichtslosigkeit in der Branche halten mich davon ab, und eigentlich ist der Job okay. Wer mehr will als okay, fordert schamlos sein Glück zum Kampf heraus, und zum Kämpfen war mir noch nie zumute. Ich habe das wunderbare Talent, farblos in der Masse zu verschwinden, das Elend der Welt zu ignorieren, mein Leben mit verpaßten Gelegenheiten zu füllen. Ich bin zu konturlos, um begehrt zu werden, und eigentlich fehlt mir jeglicher Antrieb, daran etwas zu ändern. Solange ich alleine im Büro bin, checke ich meine emails. Eine Freundin aus Paris lädt mich zu ihrer Hochzeit ein. Bevor der Gedanke an eine Reise in mir aufkeimen kann, verwerfe ich ihn schon wieder. Kein Geld, keine Zeit, und in Wahrheit keine Lust. Wozu fremde Städte ansehen, wenn ich in meiner eigenen eine Fremde bin? Hineingesogen in diesen unendlichen Großstadtstrudel, jeden Tag in die selbe U-Bahn einsteigen, beim selben Türken fürs Abendessen einkaufen, obwohl ich eigentlich die leeren Fragen der Angestellten nach meinem Wohlbefinden nicht mag. Interessiert doch niemanden, daß Du mein Herz zerfleischt. Daß ich abends vor dem Fernseher einschlafe, und mit Verachtung für meine eigene, selbstgemachte Langeweile ins Bett gehe, die sich in mir festfrißt und mich morgens grau und schwer erwachen läßt. In den Nächten bei Dir hat all das keine Bedeutung, da liege ich in Deinen Armen und vergesse den Blick in meine Abgründe. Passe meinen Atem Deinem an und bin glücklich über Deine Hand, die auf meinem Bauch ruht. Ich weiß nicht, wer ich für Dich bin, will auch nicht wissen, als was Du mich siehst, hab Angst, daß Du nicht mal meinen Namen kennst.
Das Telephon läutet und ein unfreundlicher Photoassi gibt einen Auftrag durch, der natürlich am besten gestern schon bearbeitet hätte sein sollen. Plötzlich habe ich soviel zu tun, daß ich sogar kurz Deine Küsse vergesse. So schlage ich meine Stunden in der Arbeit tot. Werktags geht es mir besser mit dieser zermürbenden Sehnsucht. Aufstehen, duschen Frühstück, Arbeit, abends vielleicht ein bißchen Sport, mit Freundinnen telephonieren, paar Seiten lesen, müde und traurig ins Bett fallen, am nächsten Morgen wieder dasselbe. Am Wochenende erschlägt die Einsamkeit mich.
Ich verbringe meinen Tag mit telephonieren, verhandeln, faxen, vermitteln, und manchmal macht es mir sogar Spaß. An anderen Tagen muß ich mir einfach vorstellen, wieviel Stunden ich noch brauche, um die Miete zahlen zu können, um mich zu motivieren, durch die Tage zu quälen. Alles nur grauer Brei.
Und wieder ein neuer Abend. Immer dasselbe Ritual. Zuerst die Kontaktlinsen reinigen, in der Hand das Gesehene zerreiben, dann die Zähne, scharfer Schaum, dann das Gesicht mit cremiger Lotion farblos und müde machen. Hat all das aufgemalte Lächeln nichts genützt. Ins schmale, kalte Bett steigen und in Mascara geschwärzte Träume entgleiten, in denen man gesichtslose Männer küßt.
Dich holt alles ein, was Du noch nicht verkraftet hast. Jeden Tag häufst Du neue Vergangenheit an, in der Du wiedermal alles falsch gemacht hast. Jeden Morgen zerknüllst Du einen frischen Traum und wirfst ihn hinter Dich. Du verscharrst Gefühlsleichen, die schnell vermodern und Dich vergiften.
Versuch nicht, perfekt sein zu wollen. Versuch einfach nur, ohne Vorbehalte und Ängste zu lieben. Das ist die größte und schwierigste Aufgabe in Deinem Leben.
Und wenn morgen mein Wecker klingelt, bin ich wieder alleine. Wir haben noch nie gemeinsam gefrühstückt.

Donnerstag, 22. Dezember 2005

An mein Wien

In dieser Stadt war gut traurig sein. Dafür wurde sie gemacht.

Dienstag, 13. Dezember 2005

Meine Straße in Hamburg

Max-Brauer-Allee

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Eine Melange wollte ich gestern bestellen, mitten in Innsbruck, all die Jahre nach meiner Zeit in Wien. Die Kellnerin sah mich nur mit Unsicherheit an und ich fiel.

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Ich finde langsam zu mir selbst, ein geschundenes, zusammengeflicktes Etwas, das in der Nacht manchmal zu schwer atmet und sich keuchend umdreht, um von anderen Schmerzen erdrückt zu werden. Das schwarze Träume von vergebenen Küssen und verlorenen Lieben fabriziert, nur um den Schmerz noch tiefer reindrehen zu können, so weit, dass man ihn nicht mehr rausholen kann, weil er sich wie eine Zecke ins Fleisch gefressen hat, und er bläht sich auf, wird zu einer rosaroten, transparenten Blase, in der er alle Wünsche gefangenträgt, die die Vernunft verworfen hat.

Mittwoch, 7. Dezember 2005

Herbst 2002

„Die Gesprächsfetzen werden ein seltsames Ganzes. Ich weiß nicht mehr, welcher Mann was zu mir gesagt hat. Während ich meine Augen mit Kajal umrande, stehst Du plötzlich wieder hinter mir. Hast mir oft lächelnd beim Schminken zugesehen. Du fehlst mir.
Wir scheitern an den kleinsten Lebensträumen. Wir setzen falsche Ziele, wollen jemand anderer sein und kennen unser Innerstes nicht. Ich falle in eine Leere und weiß nicht, wie ich mich retten kann. Ich stelle mir Fragen, die nur die Zukunft beantworten kann. Ich mache mir Sorgen, die unbegründet sind. Ich liebe die Menschen, die in mein Leben treten und es oft wieder verlassen und somit einen leeren Platz in mir hinterlassen, der nur schwer zu füllen ist. Nur mit sehr vielen neuen Eindrücken, Gefühlen, Farben.
Was gibt mir Geborgenheit? Manchmal bin ich so allein in den Armen eines anderen. Sind wir uns nicht alle fremd? Tun wir uns nicht alle weh? Man macht sich selber zu wichtig. Wieviele Menschen zerbrechen daran? Und wie findet man die richtige Distanz zu sich selbst? Und wenn man sich selber nicht zu wichtig nimmt, was ist dann wichtig? Man muß sich selber kennen, aber man darf sich nicht nur auf sich selbst konzentrieren. Ist nicht das die Bestimmung von zwischenmenschlichen Beziehungen, daß sie Dich von Dir selber wegführen zu jemand anderem? In jemandes Gegenwart sich selbst vergessen. Die Sorgen um die Zukunft vergessen. Einfach sein. Einfach bei jemanden sein, den man liebt. Mache ich mir auch zuviele Gedanken um die Liebe? Verdenke ich sie? Eliminiere ich sie dadurch? Weil Liebe einfach nur lebt? In uns allen?
Und wenn man Angst hat, wenn man zuviel nachdenkt, wenn man seinen eigenen Kern zu wichtig nimmt, flüchtet sie dann? Ganz weit weg?
Ich brauche meine Menschen und sie sind doch so fremd. Wir zerfleischen einander. Liebesbekenntnisse sind Gefängnisse. Du triffst Menschen und hast Angst, daß sie Dir etwas wegnehmen, von Deiner Freiheit, von Deiner Eigenheit, und verzweifelst an Deiner Einsamkeit. Sich einander vertraut machen, sich einander nähern, und mit jedem Schritt das schmerzliche Bewußtsein, daß man sich immer fremd sein wird.
Alles seltsam. Mach das Beste aus jedem Tag! Doch ich fühle mich bedrückt. Süchtig nach Süßem. Nach Blicken. Nach Stimmen. Nach Berührungen. Mir wird alles entgleiten, ganz sanft und leise. Und dann werde ich wieder mit leeren Händen dastehen. Dein ganzes Leben ein Abschied. Der Abdruck Deiner Haut ist noch immer auf meiner eingebrannt.“

„Bleiben ist etwas Vorübergehendes. Aufbrechen ist ewig.“ Michael Richter

„Wer überall sein will, ist nirgendwo zuhause.“ Lucius Annaeus Seneca

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Die Zeit verfliegt. Ich wandere durch die Straßen und sammle Blicke. Gelegentlich. Ewiglich. Die Halskette riss. Die Perlen hüpften lachen über die Treppen. Meine Hand strich übers lange Haar. Das Licht zwinkert mir zu. Die Nadeln zerstechen meine Hand. Plötzlich ist der Stoff steif und kratzig. Ich stehe in der Telefonzelle und wähle Deine Nummer. Die Joghurtpackung zerplatzt lautlos am Boden. Meine Hose hat kleine Flecken. Alles dreht sich. Die Photos fallen alle von der Wand. Du bist nicht bei mir. Hast Dich nie verabschiedet. Bist einfach gegangen. Irgendwann. Tote Liebe zwischen leeren Menschen.

Montag, 5. Dezember 2005

Gottseidank vorbei

„So many nights with the shadow of you in my bed“ Mano Chao

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